Ev. Kirchengemeinde Am Groß-Glienicker See

Blog: Unterm Schilfdach

"Unterm Schilfdach" zieht um

 

Die beiden Kladower Gemeinden, Dorfkirche und Schilfdachkapelle, sind dabei sich zusammenzuschließen.

 

Der Blog "Unterm Schilfdach" wird auf der gemeinsamen neuen Homepage der neuen Gemeinde hier weitergeführt.

 

Die gemeinsame neue Homepage liegt hier:

evangelische-kirche-in-kladow.de

Näheres zur Fusion siehe hier


An dieser Stelle schreibt Pfr. Alexander Remler regelmäßig über das Gemeindeleben der Schilfdachkapelle. 

 

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Fr 28.4.23, 8:30: Ach, wie schön: Unsere neue Homepage ist online. Die Evangelische Kirche in Kladow hat nun auch im Internet ein Gesicht. „So ist jeder willkommen nach dem, was er hat.“ So freundlich kann der Apostel Paulus sein. Und dieses Bibelwort aus dem Zweiten Korintherbrief grüßt jetzt auch die Besucher auf unserer Startseite. Unter www.evangelische-kirche-in-kladow.de finden sich die Angebote, Veranstaltungen und Gottesdienste unserer Gemeinde. „Wir haben uns bemüht, immer ein Bibelmotto voran zu stellen, um deutlich zu machen, auf welcher Grundlage unsere Gemeinde steht“, sagt Anja Helm über den konzeptionellen Ansatz. Sie hat mit Holger Cattien, Lennart Aurich, Leoni Rademacher und Christoph Oeters in den vergangenen Monaten in beinahe unzähligen Arbeitsstunden die neue Seite entworfen. Und auch die Termine dieses Wochenendes sind schon alle online. Das Trauercafé, das heute um 16 Uhr stattfindet, zum Beispiel. Aber auch der von Martina und Joachim Weiß organisierte Kinderflohmarkt in der Landstadt morgen, bei dem auch wir als Kirchengemeinde einen Infostand mit Kinderaktion haben. Und natürlich darf auch der Gottesdienst am Sonntag nicht fehlen, der wie gewohnt um 11 Uhr in der Schilfdachkapelle stattfindet. Es geht um Ernst Huberty, die Sportschau und darum, mehr zu sehen als das, was alle sehen. Für die Kinder gibt es Kindergottesdienst.

Mo 24.4.23, 8:46: Das hat es in der Schilfdachkapelle noch nicht gegeben. „Alles ganz einfach“, meinte Gerd Theerkorn. Der Tanzlehrer. Dann wurde der Kirchraum plötzlich zur Tanzfläche. Zum 70. Geburtstag der Schilfdachkapelle haben wir Polka getanzt. Im Wechselschritt. Kurz-kurz-lang. Oder umgekehrt? Ach, egal. Es war ein wildes Durcheinander. Und ein großer Spaß. „Das machen wir jetzt öfter“, meinte Thomas Dittmer irgendwann außer Atem. Ja, machen wir. Das Tanzen war aber nur ein besonderes Erlebnis am Samstagabend. Ein anderes die Filmpremiere „Von Ufer zu Ufer“. Der Dokumentarfilm von Anja Simon über Christa Duha, die zu Mauerzeiten den Anlass für das Ufersingen im Advent gegeben hatte. Die Kinder vorne auf dem Boden. Andere hatten einen Sitzplatz. Die meisten mussten stehen. Danach spielten wieder die Posaunen. Ach, es gäbe so viel zu erzählen. Von Karin Ritter etwa, die 1953 bei der Eröffnung dabei war und ein dickes Fotoalbum mitgebracht hatte – wie andere auch. Oder vom orientalischen „M&R Catering“ der aus Syrien geflüchteten Familie, die zusammen mit Beiträgen aus der Gemeinde für ein wundervolles Büffet sorgten. Am Ende, als alles vorbei war, stand ich vor der Kapelle neben Anja Helm, die sich verantwortlich um die Geburtstagsfeier gekümmert hatte. „Hat sich alles gelohnt?“ Sie lächelte erschöpft. Nickte. „Ja.“

Fr 21.4.23, 8:55: Die große Frage im Vorfeld war: „Wie viele wohl kommen werden?“ Achselzucken. „Schwer zu sagen.“ Nicolas Budde und ich waren wirklich unsicher, wie viele Menschen am Info-Abend zum Fusionsprozess unserer Gemeinden zur Evangelischen Kirche in Kladow teilnehmen würden. Am Ende war der Gemeindesaal gestern voll. Die Stimmung außerordentlich gut. „Wir sind zusammen auf dem Weg.“ So haben wir unsere Andacht eröffnet. Und noch einmal an das Motto unserer Osteraktion mit der Saatgutkarte erinnert: „Wir wachsen zusammen.“ Der Fusionsausschuss hatte den Abend gut vorbereitet. Anja Helm und Holger Cattien hatten Flyer mit den wichtigsten Fragen und Antworten erstellt. Hoffnungen, Bedenken und Wünsche konnten auf rote, blaue und grüne Karten gepinnt werden. Unsere Vorsitzenden Inge Kronfeldt und Thomas Dittmer moderierten souverän. Die meisten Sorgen drehten sich um den Erhalt der Standortprofile und beider Pfarrstellen. „Aber klar ist: Zusammen sind wir stärker.“ Das Schlusswort sprach Michael Schröder: „Sparen heißt nicht immer Geld sparen, man kann auch Zeit und Aufwand sparen.“ Auf der Terrasse ging es dann weiter – bis kurz vor Mitternacht. Schließlich ein Hinweis für Sonntag: Die Spandauer Gemeinden feiern gemeinsam einen zentralen Pilgergottesdienst in der Luther-Kirche. Daran nehmen auch wir teil. Achtung: In der Dorfkirche und in der Schilfdachkapelle daher keine Gottesdienste!

Mi 19.4.23,8:53: Manchmal frage ich mich wirklich, wie häufig Max Tarrach wohl die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen haben muss. Der Maurer aus Groß Glienicke, der beim Bau der Schilfdachkapelle die Verantwortung getragen hat. Zwei Jahre lang. Von 1951 bis 1953. Stein auf Stein. Mit Jugendlichen aus der Gemeinde. Mit Studierenden aus dem Ferienlager. Mit Freiwilligen aus der Nachbarschaft. Etwas nüchtern steht in seinem Zeugnis: „Er zeigte Umsicht und Geschick im Umgang mit Menschen.“ Aber wie war das wirklich auf der Baustelle? Davon erzählen seine Bilder, denn Max Tarrach war auch ein leidenschaftlicher Fotograf. Eine Auswahl zeigen wir am Samstagabend. Wir feiern den 70. Geburtstag der Schilfdachkapelle. Und das Programm hat eine weitere wundervolle Premiere: Den Kurzfilm „Von Ufer zu Ufer“ von Anja Simon. Ein Porträt von Christa Duha, die als Mädchen zu Mauerzeiten auf Adventslieder von der anderen Seeseite mit Lichtzeichen reagierte und dafür staatlichen Repressionen ausgesetzt war. Darüber hinaus freue ich mich auf den Tanzlehrer Gerd Theerkorn, der mit uns durch die Schilfdachkapelle tanzen wird, genauso wie auf unsere Posaunen, den Chor und ein gemütliches Büffet. Es geht um 17 Uhr los. Und nicht vergessen: Schon morgen,  20. April, laden wir um 19.30 Uhr zum Info-Abend ins Gemeindehaus im Dorf ein. Dort geht es um die Zukunft unserer Evangelischen Kirche in Kladow.

Mo 10.4.23, 8:33: Es ist nun schon einige Zeit her. Es war aber nach einem Gottesdienst, als sich ein aufgeweckter Sechsjähriger plötzlich vor mir aufbaute. „Du“, kam er direkt zur Sache, „ich will von dir getauft werden.“ Ich musste schmunzeln. „Klar, gerne.“ Kurz darauf ging ich zu seinem Vater Tim. „Ich freue mich, dass ihr Theo taufen lassen wollt“, sagte ich zu ihm. Aber seine Reaktion war irgendwie anders als erwartet. „Was wollen wir?“ Es stellte sich heraus, dass die Eltern noch nichts von Theos Plan wussten. Aber dann war bald war klar: „Wir wollten ihm immer die Entscheidung überlassen, nun hat er sie früher getroffen als erwartet.“ Gestern war es soweit. Im Gottesdienst haben wir Theo getauft. Selbstbewusst stand er allein vor der Gemeinde und hat seinen Taufwunsch bekräftigt: „Ja, mit Gottes Hilfe.“ Das war schon stark. Und für mich der Höhepunkt der an Höhepunkten reichen Feiertage. Der Gründonnerstag mit der liturgischen Fußwaschung in der Dorfkirche. Der Karfreitag mit Arvo Pärts „Spiegel im Spiegel“ von Susanne Kabelitz und Michael Hoeldke. Die Osternacht mit der Osterkerze in der stockdunklen Schilfdachkapelle. Und schließlich der fröhlich-festliche Ostersonntag mit Theos Taufe. Intensive Tage waren das. Aber nun freue ich mich auf die Urlaubswoche, die vor mir liegt.

Mi 5.4.23, 8:37: Der schönste Satz am Montagabend kam für mich von Edda Heyer. So gegen 22 Uhr muss das gewesen sein. Alle Osterbriefe waren endlich eingetütet. Viele helfende Hände hatten dazu beigetragen. In stundenlanger Arbeit. Am Ende gab es Pizza. Und zum Abschied sagte Edda Heyer schließlich: „Das ist für mich Gemeinde.“ Ich habe mich darüber gefreut. Denn es war zwar anstrengend. Aber es war auch schön. Und nun werden die Mitglieder unserer Evangelischen Kirche in Kladow einen schriftlichen Ostergruß in den Briefkästen haben. „Sie werden wachsen wie Gras am Ufer“, nehmen Nicolas Budde und ich in unserem gemeinsamen Osterbrief ein Wort des Propheten Jesaja auf. Und wir verstehen das einerseits ganz wörtlich, indem wir diese Worte auf „Saatgutpapier“ mit Wildblumensamen gedruckt und den Briefen beigefügt haben. Und wir verstehen das auch im übertragenen Sinne als Mutmacher für alles, was wir uns in diesem Jahr vorgenommen haben: Wir wachsen zusammen – aus zwei Gemeinden wird eine Gemeinde. Aber nun stehen zunächst die Feiertage bevor. Mich begleitet dabei ein Wort von Dietrich Bonhoeffer: „Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln.“ Angesichts der Vielzahl der Krisen fällt es schwer, Zuversicht zu behalten. Aber Gemeinschaft hilft, Gemeinde tut gut. Ich freue mich auf die verschiedenen Gottesdienste der kommenden Tage!

Osterbrief 2023
"Sie werden wachsen wie Gras am Ufer."
230331 Osterbrief.pdf
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Fr 31.3.23, 9:08: Also, ein Bastelkönig bin ich wahrlich nicht. Das steht fest. Und das wissen meine Religionsklassen an der Grundschule auch ganz genau. Weshalb sie neulich umso überraschter waren, als ich mit der Vorlage für eine Osterkrippe ankam. „Ich habe was zum Basteln mitgebracht“, meinte ich. „Du kannst doch gar nicht basteln“, rief eine aufgeweckte Zehnjährige dazwischen. Was stimmt, wie gesagt. Aber sie kannte meinen Trick noch nicht. „Ich werde auch nicht basteln“, kündigte ich an. „Ihr werdet basteln.“ Dann ging es munter los. Die Kinder haben geschnitten, gemalt und geklebt – und sich ganz nebenbei die Ostergeschichte von Palmsonntag bis Ostersonntag erschlossen. Schön war das. Und spielerisch geht es auch der Auftakt in die Feiertage weiter: Jetzt am Sonntag, Palmsonntag, feiern wir vor der Schilfdachkapelle einen Familiengottesdienst. Einige Konfis werden ein „Osterspiel zum Einzug nach Jerusalem“ aufführen. Dazu wird unsere Erzieherin Gabi Gose in ihren Dienst in der Kita eingeführt. Von den Kindern wird sie einen Segen erhalten. Das Wetter soll schön werden, aber kalt – also lieber warm anziehen! Und wer sich noch einen weiteren Termin merken kann: Am Montag werden wir einen ökumenischen Palmweg gehen. Um 18 Uhr geht es mit einem kurzen Impuls an der Schilfdachkapelle los. Dann ziehen wir zur Dorfkirche Kladow. Die Prozession endet nach rund anderthalb Stunden in der katholischen Gemeinde Mariä Himmelfahrt.

Mi 29.3.23, 8:40: Heute ist Mittwoch. Gut, das ist für sich genommen noch keine besondere Entdeckung. Aber der Mittwoch hat für mich eine ganz eigene Bedeutung. Am Mittwochmorgen fahre ich immer besonders gerne zur Schilfdachkapelle. Denn mittwochs findet um neun Uhr das Morgengebet statt. Draußen, auf dem Vorplatz, unter den Eichen. Im Hintergrund der Berufsverkehr. Alleine mit den eigenen Gedanken. Aber verbunden im Gebet. Am Anfang sollte das Morgengebet monatlich sein. Bis Reinhard Schütz zu mir meinte: „Warum machen wir das eigentlich nicht wöchentlich?“ Ich zögerte. „Wöchentlich kann ich nicht immer dabei sein.“ Und Reinhard: „Macht doch nichts.“ Dabei schaute er mich an. Ich schaute ihn an. Er hatte recht. Natürlich. Und nun gibt es seit mehr als drei Jahren eine ziemlich bunte Gruppe, die sich für das Morgengebet verantwortlich fühlt. Wenn einer nicht kann, übernimmt eine andere. Der Ablauf bleibt immer gleich. Wir folgen dabei einer alten Herrnhuter Tradition. Darüber hinaus teilen wir Freud und Leid in Fürbitten. Dazu werden Kerzen entzündet. Eine einfache Form. Aber sie gibt Kraft für den ganzen Tag. Schade, dass ich heute nicht dabei sein kann. Gleich fahre ich zum Pfarrkonvent in die Altstadt Spandau. Aber wie gut zu wissen, dass auch heute das Morgengebet stattfinden kann.

Mo 27.3.23, 8:29: Der Weg, der mich irgendwann bis ins Pfarramt geführt hat, war lange Zeit alles andere als geradlinig. Eher im Gegenteil. Ein Weg voller Hindernisse und Umwege. Aber mit Bertold Höcker gab es einen, der mich über Jahre an entscheidenden Stationen begleitet und mir immer wieder neue Perspektiven aufgezeigt hat. Der Superintendent des Kirchenkreises Berlin Stadtmitte geht demnächst in den Ruhestand. Gestern habe ich ihn noch einmal getroffen. Nach dem Gottesdienst in der Dorfkirche Gatow und einem  Abstecher zum Schenkflohmarkt an der Schilfdachkapelle bin ich nachmittags zur Samariterkirche nach Friedrichshain gefahren. Hier hat Bertold Höcker gestern Jasmin El-Manhy als neue Pfarrerin in ihr Amt eingeführt. Wir waren zusammen im Studium. Wir waren zusammen im Predigerseminar. Gestern im Gottesdienst sagt sie: „Mir war es nicht in die Wiege gelegt, evangelische Pfarrerin zu werden.“ In der Predigt spricht sie sehr persönlich von ihrem Glauben, erzählt von einem Kindheitserlebnis vor dem Badezimmerspiegel und von einer Wanderung auf den Berg Sinai. „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“, zitiert sie schließlich ein Bibelwort aus Psalm 31. Und ich denke, während ich das höre, wie schön es doch ist, dass in unserer Kirche so viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebenswegen eine Heimat finden können. Danke.

 

Mo 20.3.23, 8:41: Ein Backblech voller Kekse gibt es im Gottesdienst auch nicht alle Tage. Leider, möchte ich nach gestern sagen. Da kamen die Kinder kurz vor dem Segen aus dem Kindergottesdienst in die Schilfdachkapelle zurück. Und auf einem Backblech zeigten sie stolz, womit sie sich beschäftigt hatten. „Mit Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern“, wie eine Neunjährige souverän referierte. Oder anders gesagt: Die Kinder hatten unter der Anleitung von Katrin Buchholz und Leoni Rademacher Kekse mit Symbolen gestaltet, die an die vier Feiertage rund um Ostern erinnern sollten. Das essbare Palmblatt war einfach zu erraten – Palmsonntag. Klar. Schwieriger schon war der Keks als Symbol für das Brot, das beim Abendmahl an Gründonnerstag geteilt wird. Die Perlen als Silberlinge für den Verrat zum Karfreitag war wieder eher leicht. Aber was sollte das Toffifee oben rechts in der Ecke? „Das ist doch ganz einfach, das ist der Stein am Ostermorgen vor dem Grab.“ Logisch. „Wer möchte, kann noch selber einen Keks gestalten“, habe ich die Besucher nach dem Gottesdienst eingeladen. Und nicht geahnt, dass ich selber zum Kekskünstler werden sollte. Ob mein „Osterkeks“ auch so schön geworden ist wie von den Kindern, weiß ich zwar nicht. Aber geschmeckt hat er zur Tasse Kaffee später ganz hervorragend.

Fr 17.3.23, 8:34: Auf meinem Schreibtisch liegt zurzeit ein Buch, das vielleicht nicht mehr ganz neu ist. Aber ich bin erst voriges Wochenende darauf aufmerksam geworden. Und nun geht es mir nicht mehr aus dem Kopf. Es ist eine autobiographische Erkundung, so könnte man das sagen. Es ist das Buch „Allein“ von Daniel Schreiber. Und es beginnt ausgerechnet mit dem Wort „Wir“. Dann schließen sich 160 Seiten über das Alleinsein und die Einsamkeit an. Immer mehr Menschen sind einsam, so die Ausgangsthese. Aber warum? „Nichts ist einsamer als die Einsamkeit des Nicht-gesehen-Werdens, des Nicht-erkannt-Werdens“, so  Daniel Schreiber. Und ich denke an die Bibel und Psalm 142: „Schau zur Rechten, und sieh: Ich habe ja niemand, der mich erkennt; verloren ist mir jede Zuflucht, niemand fragt nach meiner Seele.“ Ich frage mich auch, wie einsam Jesus eigentlich am Kreuz von Golgatha war? Dieser Spur möchte ich am Sonntag weiter nachgehen. Um 10 Uhr bin ich zum Gottesdienst in der Dorfkirche Kladow. Um 11 Uhr in der Schilfdachkapelle. Wir werden mit Mascha Kaléko beten: „Gib uns die Kraft, alles zu ertragen,/ Und lass uns einsam, nicht verlassen sein.“ Für die Kinder gibt es eine wirklich tolle Aktion: Mit Katrin Buchholz werden sie im Kindergottesdienst einen ganz besonderen „Osterkeks“ gestalten.

Mo 13.3.23, 8:28: Im Predigerseminar gab es früher Sätze, über die wir dann stundenlang diskutiert haben. „Wir müssen alleine glauben, denn wir müssen auch alleine sterben.“ Das war jetzt am Wochenende so ein Satz, der mich lange beschäftigt hat. Und eigentlich war damit alles wieder so wie immer. Am Freitag sind Nicolas Budde und ich losgefahren. Wie schon so oft. Diesmal mit der Bahn nach Meißen. Dort haben wir die Kollegen aus Sachsen und Thüringen getroffen, mit denen wir zusammen im Predigerseminar waren. Zehn Jahre ist das inzwischen her. Es war ein Seminar, das es weder vorher noch hinterher gegeben hat. Ein mobiles Seminar an verschiedenen Orten. Entworfen von unseren Studienleitern Olaf Trenn, Tobias Schüfer und Thilo Mahn. So viele Wochen haben wir miteinander verbracht. Anstrengend war das oft. Aber auch prägend. Es hat dazu beitragen, dass wir wurden, wer wir sind. „Wer sind wir?“, das war auch am Wochenende die Frage, zu der wir uns mit dem Abstand von zehn Jahren ausgetauscht haben. In der vertrauten Gemeinschaft. Und auf dem Rückweg ist mir dieser Gedanke von Dietrich Bonhoeffer nicht mehr aus dem Kopf gegangen: „Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“

Fr 10.3.23, 8:45: Am Ende war es ein bisschen so wie Klassentreffen. „Kommt, wir machen noch ein Foto“, habe ich kurz vor Schluss vorgeschlagen. „Die Kleinen nach vorne, die Großen nach hinten.“ Aber dann standen schließlich doch alle einfach dort, wo Platz war. Macht nichts. Zumal das der einzige Tagesordnungspunkt war, der nicht ganz geordnet verlief. Im Januar hatten unsere Gemeindeleitungen schon einmal gemeinsam getagt und den Beschluss zur Fusion zum 1. Januar 2024 getroffen. Gestern sind wir zum zweiten Mal zusammen gekommen. Diesmal an der Waldallee. Und so langsam kommen wir ins gemeinsame Arbeiten. Auch wenn manche Fragen offen sind. Wie viel Zeit nehmen wir uns für Diskussionen? So was etwa. „Ach, das besprechen wir auf unserem Klausurtag nächstes Wochenende“, haben wir öfter gesagt. Auch so ein Grund, warum die Sitzung schon um 22 Uhr vorbei war. – Heute geht es für Nicolas Budde und mich auf Dienstreise. Nach zehn Jahren treffen wir unser altes Predigerseminar, um die vergangenen Jahre zu reflektieren. Das ist schön. Nur dass ich dadurch unseren „Posaunenchor unterm Schilfdach“ verpasse, der morgen um 18 Uhr zum Konzertabend mit Lesungen in die Schilfdachkapelle einlädt. Den Gottesdienst am Sonntag hält Lektorin Katrin Buchholz. Sie hat viele schöne Ideen vorbereitet. Herzliche Einladung!

Di 7.3.23, 8:31: Der Tag hat Augen. Die Nacht hat Ohren. So heißt es. Und das Leben weiß noch etwas mehr. Wie schwer das Einschlafen manchmal fällt, abends, wenn es längst Zeit ist, wenn das Licht schon längst gelöscht ist. „Dann kreisen die Gedanken in einem fort und wollen und wollen nicht zur Ruhe kommen.“ Mit diesen Worten wird heute Abend um 21.58 Uhr der Abendsegen auf rbb 88,8 beginnen. „Gelassen einschlafen“ heißt dieses schöne Radioformat mit Gedanken zur Nacht. Meine Frau Merle hat die Segensworte in dieser Woche geschrieben und eingesprochen. Bis Sonntag werden sie gesendet. Und auch vom 20. bis zum 26. März kommen die abendlichen Meditationen von ihr. Und ich freue mich auf Geschichten aus dem Leben, vom Ponyreiten und Pommesessen, von grünen Zweigen der Hoffnung, gummibärchengroßen Königen und Sofa-Abenden mit dem Kater. Und ich denke daran, wie die Nacht schon in der Bibel ein Raum für außergewöhnliche Begegnungen ist. Wie schon Jakob von einer Himmelsleiter träumte oder Abraham unter einem Sternenzelt die Verheißung vieler Nachkommen bekam. Und kommt nicht auch unser Gott immer wieder in der Nacht zur Welt? Es lohnt sich, mit den Ohren in die Nacht zu lauschen und auf die Worte des Abendsegens zu hören.

Fr 3.3.23, 8:17: Das war gestern eine ganz besondere Kinderkirche. Eine, die besonders schön war. Aber auch ein bisschen traurig. Mit Tränen. Und gemischten Gefühlen. Die Kinder haben einen Segensschirm gebildet. Dazu haben wir gesungen: „Geh unter der Gnade, geh mit Gottes Segen.“ Und dann haben wir Carola Larisch-Gronewöller und Nelli Janke aus ihrem Dienst verabschiedet. In der Kinderkirche der Kita-Kinder, das war der Wunsch. In diesem Rahmen eine Premiere für Nicolas Budde und mich. Unsere Bundesfreiwillige Tabea Kunkel war dabei. Auch einige Eltern, die sich die Zeit am Morgen nehmen konnten. Und Gregor Hamsch aus der Kita-Bereichsleitung des Kirchenkreises. „Das ist selbstverständlich nach so vielen Dienstjahren.“ Carola Larisch-Gronewöller war 34 Jahre lang Erzieherin im Kirchenkreis Spandau. Die letzten neun Jahre in der Kita an der Schilfdachkapelle. Neun Jahre war auch Nelli Janke hier als Haus- und Kirchwartin tätig. Mit dem Ruhestand beginnt ein neuer Lebensabschnitt. „Schenke ihnen eine gesegnete Zeit“, so Kita-Leiterin Jutta Carl in ihrer Fürbitte. – Und ich richte nun schon wieder den Blick auf den kommenden Sonntag. Ich freue mich auf den Gottesdienst in der Schilfdachkapelle. Der Chor unter der Leitung von Marina Philippowa ist mit dabei. Wir werden Abendmahl feiern. Und Leoni Rademacher freut sich im Kindergottesdienst auf alle Kinder. Um 11 Uhr geht es los.

Di 28.2.23, 8:33: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen Geburtstag zu feiern. Erst recht, wenn es der achtzigste ist. Elke Maes hat sich entschieden, einfach alle und alles zusammen zu bringen, was ihr wichtig ist. Die Familie, Kinder und Enkelkinder. Die Kunst: Malerei, Musik und Poesie. Dazu so etwas wie Sinn und Geschmack fürs Unendliche. Und so haben wir in diesem Sinne zum 80. Geburtstag der Kladower Künstlerin am Sonntag einen ökumenischen Gottesdienst in der katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt gefeiert. Carlos Mieres und Joe Kucera haben auf der Gitarre und auf dem Saxophon gespielt. Carmen Celada hat als Solostimme gesungen. Gemeindereferent Johannes Motter, Pater Joachim Gimbler und ich haben die Liturgie gestaltet. Schön war das. „Und über allem stand ein einziges Wort: Danke!“, so Elke Maes. Ein Zeichen für unser gutes ökumenisches Miteinander war dieser Geburtstagsgottesdienst noch dazu. Dafür steht übrigens auch der „Ökumenische Bibelkreis“, der sich immer am letzten Dienstag im Monat trifft. Heute Abend ist es wieder soweit. Und ich freue mich sehr, Pater Joachim Gimbler bei uns begrüßen zu dürfen. Er kommt in das Gemeindehaus an der Waldallee hinter der Schilfdachkapelle. Sein Thema: „Jesus und das Gesetz“ mit Blick auf die Bergpredigt. Ich bin gespannt. Um 19 Uhr geht es los.

Fr 24.02.2023, 8:23: Am meisten Spaß gemacht hat mir das Interview mit André Görke. Was er uns für den geplanten Zusammenschluss der beiden Kladower Gemeinden mit auf den Weg geben würde, habe ich ihn gefragt. „Veranstalten Sie ein anständiges Fest“, hat der Redakteur des Tagesspiegel geantwortet, der Spandau so gut kennt wie kaum ein zweiter. „Tanzen Sie über das Ritterfeld, schippern Sie fröhlich über die Havel, fahren Sie mit dem Rad von Kirche zu Kirche.“ Klasse Ideen, finde ich. Und als ich Nicolas Budde davon erzählt habe, meinte der spontan: „Machen wir.“ So, das wäre notiert. Aber auch darüber hinaus gab es viele interessante Kommentare, die wir für die neue Ausgabe unseres Gemeindemagazins gesammelt haben. „Was ist Gemeinde?“, lautet die Überschrift über die Schwerpunktseiten. Unsere Stadtteilkoordinatorin Gerit Probst, der Spandauer Superintendent Florian Kunz und viele andere geben darauf eine Antwort. Der neue Südwind steht auf unseren Internetseiten zum Download bereit. In den nächsten Tagen kommt er in den Gemeindebüros an und wird dann ausgeteilt. – Am Sonntag bin ich übrigens im Rahmen des Regionalmodells, das wir im Februar und März ausprobieren, zum Gottesdienst um 10 Uhr in der Dorfkirche in Gatow, dafür kommt der Gatower Kollege Mathias Kaiser um 11 Uhr in die Schilfdachkapelle.

Mi 22.2.23, 8:29: Der 24. Februar 2022 ist der Tag, an dem der Krieg endgültig nach Europa zurückkehrt. Russische Truppen fallen in die Ukraine ein. Die Hauptstadt Kiew soll in wenigen Tagen fallen. Präsident Wolodymyr Selenskyj gestürzt werden. Aber es kommt anders. „Ein Jahr danach hält Kiew stand, und die Ukraine hält stand, die Demokratie hält stand.“ Diese Worte spricht der amerikanische Präsident am Montagmittag. Mit seinem Besuch in Kiew ist Joe Biden ein echter Überraschungscoup gelungen. Ein John-F.-Kennedy-Moment für viele Beobachter. Die Bilder werden in die Geschichtsbücher eingehen, wie der amerikanische und der ukrainische Präsident durch das Eingangsportal des St.-Michael-Klosters spazieren, während im Hintergrund die Luftschutzsirenen heulen. Zugleich können aber auch die stärksten Bilder nicht über das unsagbare Leid hinweg trösten, das dieses Jahr hervor gebracht hat: Rund 300.000 Menschen haben ihr Leben verloren. Beinahe 15 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Ganze Städte liegen in Trümmern. In dieser Situation kommen wir heute Abend um 18.30 Uhr in der Schilfdachkapelle zusammen. Am Aschermittwoch werden Nicolas Budde und ich ein Friedensgebet feiern, das von Jugendlichen aus unserer Gemeinde gestaltet wird. Wir werden auf Gedanken und Gebete unserer Teamer hören, wir werden singen, Lichter gegen die Dunkelheit entzünden und dazu das Aschekreuz austeilen.

Di 21.02.2023, 9:30: Ich denke gerne an meine Zeit an der Evangelischen Akademie zurück. Zehn Jahre ist das schon wieder her. Als Beauftragter für Kommunikation und Fundraising. Im Haus der EKD, am Gendarmenmarkt, mit Blick auf den Französischen Dom. Schön war das. Also habe ich mich über die Anfrage von Studienleiter Michael Hartmann gefreut, als Referent zum Arbeitskreis „Wirtschaft und Arbeit“ zu kommen. „Klar, worum gehts?“, war meine spontane Reaktion. „Um Kirche als Start-up.“ Ach, du Schreck, habe ich gedacht. Aber nichts gesagt. Und es wurde gestern ein munterer Abend. Was vor allem an Julia Backhaus lag, Gründerin des Pflegeportals Ecaria und Vorständin von Immofemme, ebenfalls Referentin. „Ich bin eine Aufbruchsperson“, stellte sie sich selbstbewusst vor. Ob sie keine Angst habe? „Wir können nicht mutig sein ohne Furcht.“ Das merke ich mir für eine Predigt. „Ich wünsche mir mehr Wege rein in die Kirche“, gab sie uns mit auf den Weg. Dann ging es um Krisen als Chance. Hier schaltete sich Pröpstin Christina-Maria Bammel ein: „Mich treibt der Gedanke um, wie wir die Klimakrise für einen Probiergeist im Raum der Kirche nutzen können.“ Am Ende: Viele Ideen. Und nun? „Müssen wir angefangene Denkprozesse verstetigen“, resümierte Axel von Goldbeck, Vorsitzender des Arbeitskreises.

Fr 17.02.2023, 8:34: Der Ankündigung für den Gottesdienst am Sonntag muss ich diesmal ein Geständnis vorweg schicken. Also: Ich bin Reinickendorfer. Aus Heiligensee. Ganz vom Berliner Stadtrand also. Eine Kindheit zwischen Havel und Tegeler Forst mag manchen idyllisch erscheinen, hat mir aber auch ein Leben lang Spott von Innenstädtern eingebracht. Besonders witzig findet sich ein „Freund“ aus Friedrichshain, der mich regelmäßig „Reinickendoofi“ nennt. Was ich normalerweise mit Großmut an mir abperlen lasse. Aber dann habe ich am vorigen Wahlsonntag diese Karte der Berliner Abstimmungsergebnisse gesehen: Ein buntes Bild innerhalb des S-Bahn-Rings, und ein schwarzes Meer außen rum. Der Gegensatz von Ost und West habe erstmals keine Rolle mehr gespielt, kommentierte der Althistoriker Michael Sommer. Dafür der Gegensatz von Außenbezirken und Innenstadt  umso mehr. „Über das Leben am Rand“, ist unser Sonntag daher überschrieben. Passenderweise kommt Sabrina Fabian aus der Innenstadt zu uns an den Spandauer Stadtrand. Als Theologiestudierende war sie zwei Jahre in unserer regionalen Konfirmandenarbeit tätig. Später hat sie ihr  Gemeindepraktikum bei uns verbracht. Inzwischen ist sie Vikarin in Prenzlauer Berg. Die Gottesdienste in Dorfkirche und Schilfdachkapelle gestalten wir am Sonntag liturgisch gemeinsam. Und ich habe bis dahin auch eine Antwort darauf, was Jesus, dieser Wanderprediger aus der Provinz, der sich bald aufmacht zur Hauptstadt Jerusalem, zum Leben am Stadtrand zu sagen haben könnte.

Di 14.2.23, 8:26: Es ist Februar. Die Tage sind kurz. Das Wetter trübe. Dazu diese Dunkelheit. Und die Sehnsucht nach Licht und Sonne wird immer größer. Heute ist  immerhin Valentinstag. Gedenktag der Liebenden. Anlass, daran zu erinnern: Am Ende gewinnt die Liebe. „Glauben Sie fragte man mich/ An ein Leben nach dem Tode.“ Mit diesen Worten beginnt ein Gedicht von Marie Luise Kaschnitz. Mit einer Frage, die mir aus zahlreichen Trauergesprächen vertraut ist. Das Gedicht geht so weiter: „Und ich antwortete: ja/ Aber dann wusste ich/ Keine Antwort zu geben/ Wie das aussehen sollte.“ Und wir? Wir feiern den Valentinstag heute um 18 Uhr als Gottesdienst für Traurige und Liebende. Alles unter der Überschrift aus dem Korintherbrief: „Die Liebe höret nimmer auf.“ Es wird ein ruhiger Gottesdienst werden. Mit besinnlichen Gedichten und Gedanken. Wir werden Kerzen entzünden für die Verstorbenen, die uns am Herzen liegen. Michael Hoeldke spielt das Lied „Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr“ von Huub Oosterhuis auf dem Klavier, gefolgt von vier Variationen, verwoben mit Poesie. Und aus dem Gottesdienst gehen wir, vielleicht, mit der Zuversicht, der auch Marie Luise Kaschnitz am Ende ihres Gedichtes Ausdruck gibt: „Mehr also, fragen die Frager/ Erwarten Sie nicht nach dem Tode?/ Und ich antwortete/ Weniger nicht.“

Mi 8.2.23, 8:12: Das Erdbeben in der Türkei und Syrien bewegt zurzeit viele Menschen. Kein Wunder. Mehr als 8.100 Tote wurden schon gezählt. Und das endgültige Ausmaß der Katastrophe ist noch nicht abzusehen. „Was können wir tun?“ Diese Frage beschäftigt auch unsere Gemeinden. Gestern gab es viele Gespräche dazu. Am Abend ein Telefonat mit Cordula Benndorf. Sie ist Gründerin des „Salon B am See“. Und hat beschlossen: „Ich werde einen Transport organisieren.“ Vor wenigen Monaten war sie noch in Adana. Das liegt mitten im türkischen Erdbebengebiet. Ihr Mann Heiko hat hier für ein Jahr als Student gelebt. Das schafft Verbundenheit. „Wir brauchen nur einen Lagerraum.“ Warum nicht unseren Gemeinderaum? „Gerne.“ Kurz darauf eine Nachricht an Nicolas Budde, ob er mit dabei ist: „Kurze Antwort genügt: ja oder nein?“ Es war schon spät am Abend. Aber die Antwort nach einer Minute: „Ja.“ So einfach können Absprachen sein. Gundula Zachow, Pfarrerin aus Groß Glienicke, macht auch mit. Und so rufen die drei Kirchengemeinden unserer Region zu Spenden auf: Zu Sachspenden – bis Sonntag nach dem Gottesdienst. Oder Geldspenden direkt an eine der Katastrophenhilfen oder an uns – und wir leiten es weiter. Hilfsorganisationen weisen darauf hin, dass Geldspenden zurzeit der effektivste Weg sind, um Menschen in der Erdbebenregion schnell zu helfen.

Mo 30.1.23., 8:32: Es gibt viele gute Fußballbücher. Aber eins hat mir schon immer besonders gut gefallen. „Fever Pitch“ von Nick Hornby. Ein Buch über die Liebe zum Fußball. Aber vor allem über das Leiden am eigenen Verein. Dort steht: „Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sind.“ Ja, so ist das wohl. Am Samstag war ich wieder im Olympiastadion. Bei Hertha. Wie schon so oft seit meiner Kindheit. Und wieder haben sie verloren. Wie viele Niederlagen habe ich hier schon erlebt? Aber dann habe ich an Holger Isbarn denken müssen. Er gehört mit seiner Frau Monika zu den treusten Gottesdienstbesuchern bei uns in der Schilfdachkapelle. Sein Herz schlägt für den Amateurfußball. „Wissen Sie, was das Wichtigste beim Fußball ist?“, hat er mich neulich gefragt, als wir auf dem Friedhof standen und uns über Fußball unterhalten haben. „Mit Niederlagen umgehen zu lernen.“  Zumindest in dieser Hinsicht gibt es wohl kaum einen besseren Verein als Hertha. Ich habe nun eine Woche Urlaub. Zeit, um über diesen schönen Satz nachzudenken. Und zu hoffen, dass sie auch bald wieder einmal gewinnen.

Fr 27.1.23, 8:11: Dieses eine Foto begleitet mich schon lange. Es geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Es ist eine alte Aufnahme aus dem Jahr 1931. Der Blick aus dem Wohnzimmerfenster von Akiba Posner, dem Rabbiner von Kiel. Im Vordergrund der neunarmige Chanukkah-Leuchter. Im Hintergrund die Hakenkreuzfahne auf der anderen Straßenseite. Hoffnung und Verzweiflung. Und die Botschaft von Rahel Posner, der Frau des Rabbiners, notiert auf der Rückseite des Fotos: „‚Juda verrecke‘, die Fahne spricht, ‚Juda lebt ewig‘, erwidert das Licht.“ Das Licht gewinnt. Diese Botschaft geht durch alle Zeiten. Heute ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Und deshalb werden wir am Sonntag im Gottesdienst in der Schilfdachkapelle auch Worte aus einem Gedicht von Jewgenij Jewtuschenko hören, der an das Massaker an den Juden von Kiew in Babij Jar erinnert. Michael Hoeldke spielt dazu auf der Orgel. Was lassen wir an uns ran – und was nicht? Zwischen „Dünnhäutigkeit“ und „dickem Fell“, darum soll es in der Predigt gehen. Ein Gottesdienst zwischen Erinnern und Aktualität. Und dazu Erich Kästner: „Die Erinn’rung ist eine mysteriöse Macht und bildet die Menschen um. Wer das, was schön war, vergisst, wird böse. Wer das, was schlimm war, vergisst, wird dumm.“

Mo 16.1.23, 8:38: Damit war vorher nicht unbedingt zu rechnen. Spontaner Applaus in der Schilfdachkapelle. Was war passiert? Christian Meyn hatte als Lektor die Gottesdienstbesucher darüber informiert, dass die beiden Kladower Gemeinden in der vorigen Woche beschlossen haben, sich zu einer gemeinsamen Gemeinde zusammen zu schließen. „Wir haben gerade eben eine Predigt über Mut und Zuversicht gehört“, begann er. „Vorige Woche wurde eine Entscheidung mit Mut und Zuversicht getroffen.“ Dann berichtete er von der ersten gemeinsamen Sitzung der beiden Gemeindekirchenräte unter der Leitung von Inge Kronfeldt und Thomas Dittmer. Davon, dass es während der Sitzung noch eine kurze Aussprache zum Thema gab. Und dass danach abgestimmt wurde. Die Entscheidung fiel bei beiden Gemeindeleitungen in voneinander getrennten Abstimmungen einstimmig aus. Ab 1. Januar 2024 wird es nur noch eine Kirchengemeinde in Kladow geben. Den Zusammenschluss begleiten soll eine vertragliche Vereinbarung, in der auch zukünftig zwei Standorte und zwei Pfarrstellen mit Gottesdiensten in beiden Kirchen festgehalten werden. „Wer noch mehr Informationen benötigt, der Gemeindekirchenrat und unser Pfarrer geben gerne Auskunft.“ Ein Angebot, das nach dem Gottesdienst bei Kaffee, Tee und Keksen von vielen Menschen gerne angenommen wurde. Und auch hier viel Zustimmung und Ermutigung. Danke für die Unterstützung, evangelisches Gemeindeleben in Kladow zukunftssicher zu machen!

Fr 13.1.23, 8:26: Seit Tagen erreichen uns aus Lützerath im rheinischen Kohlerevier Bilder einer Dystopie. Von Aktivisten, die sich an Hindernisse ketten. Von Polizisten in Kampfausrüstung, die mit Schmerzgriffen ein Dorf räumen. Und im Hintergrund der gefräßige Kohlebagger aus dem Jahr 1961 – der wie ein Relikt aus dem fossilen Zeitalters wirkt. Der Fotograf Marius Michusch hat die Bilder aufgenommen, denen man sich kaum entziehen kann. Sie haben eine Sogwirkung. Sie sind bedrohlich. Sie machen Angst. Wachrüttelnder Alarmismus? „Ich will nicht eure Hoffnung, ich will, dass ihr in Panik verfallt“, hat Greta Thunberg 2019 in Davos gesagt. Aber ich will überhaupt keine Panik. Ich will Hoffnung, Zuversicht und Optimismus, ohne naiv zu sein. Denn die leer stehenden Häuser von Lützerath sind nicht halb so wichtig wie eine Jugend, die auch weiterhin der Demokratie vertrauen kann und nicht erleben muss, wie die Industrie ihre Interessen durchsetzt. „Woher kommt mir Hilfe?“, fragt der Psalmbeter in der Bibel. Und gibt sich die Antwort: „Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“ Einen Gottesdienst, der stärken soll, wollen wir am Sonntag feiern. „Nur Mut“, lautet die Überschrift. Christian Deichstetter begleitet uns an der Orgel. Angelika Fiukowski freut sich im Kindergottesdienst auf die Kinder.

Mo 9.1.23, 8:12: Der Gottesdienst am Sonntagvormittag wird für mich immer mehr zum Ort, an dem sich das Leben der Gemeinde spiegelt. Liebe und Glück haben hier ihren Raum, aber auch Sorgen und Ängste. Und manchmal kommt alles zusammen. So wie gestern. Das war ein besonderes Erlebnis, als Angelika, die Mutter unserer Konfirmandin Finia, vor die Gemeinde trat. Finia war gerade noch im Krippenspiel an Heiligabend der Weihnachtsengel gewesen. Am kommenden Samstag bricht sie nun zu einem Schüleraustausch nach Frankreich auf. Es geht nach Grenoble. „Bisher war ich nie länger als drei Nächte von Familie und Freunden getrennt“, sagt die 13-Jährige. „Nun sind es gleich drei Monate.“ Was die Eltern an Gedanken haben, lässt sich unschwer erraten. Und wahrscheinlich war es deshalb so berührend, die Mutter zu hören. „Lieber Gott, wir bitten dich, begleite Finia“, begann sie ihr Gebet für die Tochter. „Wir wünschen ihr, dass sie nie allein ist, wenn sie es nicht sein möchte, und keine Sorgen, Zweifel oder Probleme haben wird – und wenn doch, dass sie immer eine Lösung finden wird.“ Dann haben wir Finia einen Reisesegen gegeben. Alles Gute! Und ich freue mich, Finia zu Ostern wieder zu sehen – wenn sie um viele Erfahrungen reicher geworden ist.

Do 5.1.23, 8:11: Die Heiligen Drei Könige stehen vor Maria. Sie hält das schreiende Jesuskind im Arm. Aber anstatt sich über Weihrauch, Gold und Myrrhe zu freuen, fragt sie: „Habt ihr auch Fiebersaft?“ Als ich die Karikatur von Tim Oliver Feicke gesehen habe, musste ich lachen. Ein bitteres Lachen. Kurz vor Weihnachten stand ich in der Apotheke  und wollte Fiebersaft für Kinder kaufen. „Gibt es nicht.“ Ich dachte, ich hätte mich verhört. „Wie bitte?“ Fiebersaft vergriffen, Erzieher krank, Lehrerinnen auch: Der Dreiklang für Familien mit Kindern bedeutet am Anfang des neuen Jahres, wieder dauernd zu improvisieren. „Den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen“, heißt es in der biblischen Lesung am Sonntag. Wirklich nicht? „Auf Kante“, steht als Überschrift über dem Gottesdienst. Es soll darum gehen, wie unser Leben durch die unterschiedlichen Krisen derzeit auf Kante genäht ist. Immerhin gibt es bei uns am Wochenende mehrere Angebote für Kinder: Am Dreikönigstag feiern wir um 16 Uhr in der Dorfkirche eine ökumenische Familienandacht mit Austeilung der Haussegen. Und am Sonntag laden wir zum nächsten Kinderkino ein. Um 16 Uhr zeigen wir den Animationsfilm „Ab durch die Hecke“. Dort sagt Waschbär Richie zur Schildkröte: „Mein Freund, du bist ein Naturtalent, oder sollte ich lieber sagen, so wie die Natur dich erschaffen hat?“

So 25.12.22, 8:50: Weihnachten ist ein Fest, bei dem Gewohnheiten eine besondere Rolle spielen. Das war gestern auch nicht anders. Schon gar nicht bei den Krippenspielen am Nachmittag. Die Glocke läutete jeden Gottesdienst ein. Die Besucher erhoben sich. Wir haben gesungen: „Stille Nacht, heilige Nacht.“ Und schon war aus dem verregneten 24. Dezember ein Heiligabend geworden. Wie jedes Jahr. Das nächste Lied: „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind.“ Eine neue Geschichte hatten wir nicht dabei: Leoni Rademacher und ich haben die alte Geschichte erzählt, wie Gott Mensch wird. Doch dann stand plötzlich ein Hirte auf dem Vorplatz der Schilfdachkapelle. Er schaute suchend umher. „Was der wohl sucht?“, fragten wir die Kinder unter den Besuchern. „Ein Klo“, rief ein Junge laut rein. Lacher in der Runde. „Er sucht die anderen Hirten, die schon im Stall sind“, schlug ein Mädchen vor. Am Ende war es eine Königin, die alle Besucher einlud, das Kind in der Krippe zu besuchen. Also gingen wir hinter ihr und den Weihnachtsengeln her und besuchten die heilige Familie. Das war stimmungsvoll. „Oh du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!“ So war das gestern bei den Krippenspielen. Heute geht es um 11 Uhr mit einem  besinnlichen Gottesdienst am Ersten Feiertag weiter. Morgen gibt es das Weihnachtsliedersingen mit Katrin Buchholz. Frohe Weihnachten!

Di 20.12.22, 8:38: Eine Frage höre ich seit Tagen immer wieder. Von Kindern wie Erwachsenen: „Kommen die Schafe auch in diesem Jahr?“ Also: Kurzer Griff zum Telefon. Anruf bei Björn Hagge. Das ist unser freundlicher Schäfer. „Wenn ihr wollt, bringe ich euch die Schafe gerne wieder.“ Den Sommer haben die Tiere im Schlosspark Sanssouci verbracht. Ab Donnerstag sind sie wieder bei uns. Und dann kann es Weihnachten werden. Wobei unsere Kitakinder schon voriges Wochenende den Anfang gemacht haben. Sie haben ihr Krippenspiel für Eltern und Familien aufgeführt. Hinterher gab es eine Weihnachtsfeier vor der Schilfdachkapelle. Ach, gestern kam übrigens auch unser Weihnachtsbaum an. Er wird an der Stelle des Holzkreuzes stehen. Doch unser Kirchwart Valerij Janke und Küsterin Nadine Kleinicke sind erst einmal mit dem Schmücken der Kirche beschäftigt. Unterdessen proben die Jugendlichen weiter fleißig für das Krippenspiel. Das Technische Hilfswerk bringt Bänke und Lichter. Dann kann Heiligabend endlich kommen: Um 15 und 16 Uhr finden die Krippenspiele statt. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Um 22 Uhr feiern wir die Christnacht. Am ersten Feiertag geht es mit einem Gottesdienst um 11 Uhr weiter. Zum Abschluss der Feiertage singen wir am 26. Dezember Weihnachtslieder. Und ich freue mich, wenn in allen festlichen Gottesdiensten angestimmt wird: „Stille Nacht, heilige Nacht.“

Mi 14.12.22, 8:58: Es war dunkel. Es war kalt. „Winterkalt“, wie einer später zu mir meinte. Der Schnee lag auf dem Vorplatz der Schilfdachkapelle. Aber zugleich war es irgendwie wohlig warm. Beinahe gemütlich. Und das lag an den Ständen und ihrem reichen Angebot. Heißer Dampf stieg über dem Großkocher auf, als Katrin Buchholz den Deckel anhob. Es lag am schwedischen Lussekatter und an den Suppen mit Würstchen. Aber es lag eben auch am Zusammensein im Advent. An dem Gefühl von Gemeinschaft im Dunklen. Erleuchtet vom Scheinwerfer des Technischen Hilfswerkes. Es lag auch an der Geschichte der Heiligen Lucia, wegen der wir uns versammelt hatten. „Tragt in die Welt nun ein Licht“, sangen die Kinder und Familien. „Sagt allen: ‚Fürchtet euch nicht.‘“ Dann trat sie aus dem Vorraum der Kapelle: Lucia, „die Leuchtende“, im strahlend weißen Gewand mit Kerzenkrone. Die Kinder hatten sie lautstark herbeigerufen und ließen sich nun ihre Prozessionskerzen anzünden. Gemeinsam ging es zu einer Runde durch den Wald. Das war schön. Und ich wollte während der Prozession eigentlich das Lucia-Lied „Natten går tunga fjät“ auswendig mitsingen können. Gut, das hat nicht geklappt. Aber nun habe ich wieder ein Jahr Zeit zum Lernen. Auf das nächste Lucia-Fest freue ich mich schon jetzt.

Mo 12.12.22, 8:27: Gestern nach dem Gottesdienst. „Wir sehen uns dann am Dienstag“, sage ich zu einem unserer Konfirmanden zum Abschied. Und er fragt zurück: „Was war Dienstag noch mal?“ Ich seufze. Nein, so richtig angekommen ist der Gedenktag der Heiligen Lucia in unserem Gemeindealltag noch nicht. Dabei war die Premiere im vorigen Jahr ein richtiges Highlight. Eine Veranstaltung für die ganze Familie. So soll es auch diesmal werden. Am 13. Dezember feiern wir um 17 Uhr vor der Schilfdachkapelle eine Andacht mit Lichterprozession – und bleiben danach noch etwas zusammen. Stände mit schwedischen Köstlichkeiten sind vorbereitet. Dazu gibt es Kinderpunsch, Suppen und Stockbrot. Peggy Trommer hat sich mit der "Kollektion Schilfdach“ angekündigt, Robert Gummi ist mit "Honig und Marmelade unterm Schilfdach“ dabei. Lucia schließt sich damit den anderen Lichtgestalten des Advents an: Von Nikolaus und Barbara bis zu Maria und Jesus. Allen  gemeinsam ist, dass ihr Licht stärker ist als die Dunkelheit. Und Lucia trägt das Licht sogar im Namen („die Leuchtende“). Spätestens bei dem Lucia-Lied „Natten går tunga fjät“ bin ich allerdings bei der Übersetzung raus. Aber für alles Schwedische haben wir Martin Pohl dabei, der mit seiner Frau Cindy den Anstoß für den Lucia-Tag gegeben hatte. Also dann: „Glad Lucia!“

 Fr 9.12.22, 8:33: Ich bin gestern in der Zeitung über eine seltsame Nachricht gestolpert. „Künstliche Intelligenz soll sich an Grundrechte halten“, stand dort. Und ich musste unwillkürlich an meinen alten Schulfreund Martin denken, der an einem Nachmittag vor vielen Jahren seinen brandneuen Atari ST gegen den Monitor schmiss und ihn anbrüllte: „DAS MACHST DU MIT MIR NICHT NOCH MAL!“ Ich gebe zu, dass auch mir vertraut ist, bei technischen Geräten manchmal an ein menschliches Gegenüber zu denken. Doch nun hat die digitale Welt wirklich einen Quantensprung hingelegt. Das Programm „Chat GPT“ soll Dialoge verstehen und Antworten geben können wie ein Mensch. „Nun werden alle ihre Arbeitsweise überdenken müssen“, hat Silicon-Valley-Vordenker Chris Anderson getwittert, „Autoren, Redakteure, Künstler.“ Hm. Und ich? Ich frage mich, ob mir dieses Programm vielleicht auch die Sonntagspredigt schreiben könnte? Nein. „Kein Herz und keine Seele“, ist der Dritte Advent bei uns überschrieben. Ich bin um 10 Uhr in der Dorfkirche Kladow. Um 11 Uhr bin ich wie gewohnt in der Schilfdachkapelle. Dort begleitet uns der Chor. Apropos: Ein musikalisches Highlight gibt es auch am Samstagabend. Unser ehemaliger Kirchenmusiker Andreas Nolda ist um 18 Uhr in der Schilfdachkapelle zu Gast. In seinem Orgelkonzert spielt er ein barockes Vorweihnachtsprogramm. Eintritt ist frei.

Di 6.12.22, 8:19: Gestern Mittag, vor dem Palais am See. Normalerweise legt hier montags nur die Fähre ab, die quer über den Wannsee fährt. Das Restaurant aber bleibt zu. Gestern nicht. Da fuhren zehn Taxis vor. In einer Kolonne kamen die Limousinen zum Stehen. Als Fahrgäste stiegen Bewohner der „Herberge zur Heimat“ aus, der Wohnungslosenunterkunft in Staaken. Gut gelaunt waren alle. Gut angezogen sowieso. Einer trug einen bunten Weihnachtspullover. Eine andere hatte knallrote Lederschuhe zur schwarzen Sonnenbrille an. Freundlich begrüßt wurden sie von Martina und Joachim Weiß, die in Kladow wieder Spenden gesammelt hatten, um eine Weihnachtsfeier für das Übergangswohnheim auszurichten. Karola und Siegfried Wärk hatten sie dabei unterstützt. Dann konnte es losgehen. Mit drei Gängen und Gänsekeule mit Rotkohl und Kartoffelklößen. Die Bezirksbürgermeisterin Carola Brückner sprach ein Grußwort. Bezirksstadtrat Frank Bewig überreichte ein Geschenk. Ich durfte ein Tischgebet und eine geistliche Einstimmung sprechen, während Karola Wärk die Weihnachtsgeschichte vorlas. Schön war das. Und noch schöner wurde es, als eine Bewohnerin zur Musik aus einem Kassettenrekorder zu singen begann, während andere um die Tische tanzten. „Wie schön, dass wir diese Weihnachtsfeier veranstaltet haben“, sagte ein nachdenklicher Siegfried Wärk. „Aber mich beschäftigt der Gedanke, was wir über diese jährliche Feier hinaus machen können.“

Mo 5.12.22, 8:24: „Ja, ist denn heute schon Weihnachten?“ – Das war gestern nicht nur eine gute Frage. Das war auch die häufigste Frage. Was wohl an unserem neuen liturgischen Kerzenständer gelegen haben muss, der so aussieht wie ein Weihnachtsbaum. Aber auch sonst gab es einen adventlichen Vorgeschmack auf Weihnachten. Der neu ins Amt eingeführte Gemeindekirchenrat bekam kleine Geschenke. Salome Manyak spielte zwei Bach-Stücke auf dem Cello für die Gottesdienstbesucher. Und hinterher gab es Barbarazweige mit Segensworten von Josef Guggenmos: „Und er wird blühen in seliger Pracht/ mitten im Winter in der heiligen Nacht.“ Vorfreude auf Weihnachten – bei den Kindern sowieso. Im „Kinderkino“ standen am Nachmittag Pettersson und Findus auf dem Programm – „Das schönste Weihnachten überhaupt“. Vielen Dank an Miriam Klein und Hildi Thüring für alle Vorbereitung. Im Gemeinderaum war ein Kuchenbüffet aufgebaut, dazu gab es Kaffee, Tee und Glühwein. Kurzum: Das war ein richtig schöner  Adventssonntag. Den ganzen Tag mit dabei waren unsere beiden Konfirmanden Liam und Tobi. „So sehen eure Sonntage bis zur Konfirmation jetzt also immer aus“, meinte ich irgendwann scherzhaft zu ihnen. „Kein Problem, hat Spaß gemacht heute“, war ihre Antwort. Ich habe lieber nicht überlegt, wie ernst gemeint das war. Aber in diesem Moment war auch für mich Weihnachten.

Fr 2.12.22, 8:35: Eigentlich ist es zum Lachen. Aber nur im ersten Moment. Dann ist es eher zum Heulen. Diese Sache mit Twitter und Elon Musk. Mit diesem Superreichen und seinem Spielzeug, das er mit Hochgeschwindigkeit gegen die Wand fährt. Soll er doch? Nein. Denn Twitter ist eine der wichtigsten Plattformen unserer demokratischen Öffentlichkeit. Mehr als 240 Millionen Menschen nutzen das Netzwerk täglich – und bringen Fernes ganz nahe. So geht mir das jedenfalls mit Tymofij Malowanow. Der Wirtschaftsprofessor aus Pittsburgh kam vier Tage vor Kriegsbeginn mit seiner Familie zurück nach Kiew – und blieb. Auf Twitter schildert er täglich seinen Alltag ohne Heizung und Strom. Und ich verstehe etwas mehr vom Leben im Kriegszustand. Das wird Predigtthema im Gottesdienst am Sonntag: „Das ist aber Eis heute“, ist der Zweiten Advent bei uns überschrieben. Es geht um den Winter im Allgemeinen und Tymofij Malowanow im Besonderen – aber auch darum, was gegen dunkle Gefühle in der kalten Jahreszeit hilft. Am Barbaratag verteilen wir Barbarazweige. Dazu führen wir den neuen Gemeindekirchenrat feierlich ins Amt ein. Und auf den Sonntagnachmittag freue ich mich auch. Dann findet, wie immer am ersten Sonntag im Monat, „Kinderkino in der Schilfdachkapelle“ statt. Auf dem Programm um 16 Uhr: „Pettersson und Findus: Das schönste Weihnachten überhaupt.“

Mo 28.11.22, 8:30: Schon seit Jahren begleitet mich durch die Adventszeit das schöne Gedicht „Umkehr“ von Ilse Kibgis. „Ich möchte für den Frieden auf Erden unfriedlich werden“, beginnt es. Und später: „Ich möchte, dass die Liebe in mir Mensch wird/ geboren in irgendeiner heiligen Nacht.“ Schön, dieses Adventsgedicht. Es beschreibt, wie Liebe eine Gestalt im Leben bekommt. Und wie Kinder in Heiligen Nächten geboren werden. Alle Jahre wieder. Wie passend war vor diesem Hintergrund, dass wir gestern im Familiengottesdienst Marie-Christin und Rico Hasse gesegnet haben. Sie hochschwanger, das war nicht zu übersehen. Im Oktober haben die beiden standesamtlich geheiratet. Nächstes Jahr wollen sie kirchlich heiraten. In Namibia, wo Rico her kommt. „Aber schon jetzt möchten wir um den Segen Gottes bitten“, haben sie im Vorgespräch gesagt. Also haben wir sie gestern gesegnet. Gemeinsam. Alle Kinder im Gottesdienst. Dazu auch die Jugendlichen, die zuvor als Josef, Heilige Königin und  Weihnachtsegel reichlich Applaus bekommen hatten. Stimmungsvoll war das. So wie auch schon der Samstagabend, die Lichterprozession, als wir singend durch die Kladower Straßen zum Groß Glienicker See gezogen sind, um dort Adventslieder von Ufer zu Ufer zu singen. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;/ es kommt der Herr der Herrlichkeit.“ Eine gesegnete Adventszeit!

Fr 25.11.22, 8:29: Bei uns im Gemeindehaus ist es gestern richtig adventlich geworden. Wir hatten Besuch von einer Heiligen Königin, in deren Gefolge auch ein leuchtender Weihnachtsengel und ein gewisser Josef aus Nazareth zu finden waren. Man könnte auch sagen: Gestern war Anziehprobe für die selbst genähten Kostüme von unserer Küsterin Nadine Kleinicke. Jedenfalls kann der Advent nun wirklich beginnen. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, singen wir schon am Samstagabend von Ufer zu Ufer über den Groß Glienicker See. Um 16.30 Uhr beginnt eine „geistliche Einstimmung“ in der Schilfdachkapelle. Danach ziehen wir als „Lichtprozession“ zum Seeufer. Dort starten wir um 17.30 Uhr das Adventssingen. Mit dabei ist auch unser „Posaunenchor unterm Schilfdach“. Die Bläser werden uns auch am Sonntagvormittag musikalisch begleiten: Am Ersten Advent feiern wir um 11 Uhr einen festlichen Familiengottesdienst vor der Schilfdachkapelle – mit dem Auftritt der Heiligen Königin, dem Weihnachtsengel und Josef aus Nazareth. Im Anschluss gibt der Posaunenchor ein Konzert zur „adventlichen Einstimmung“. Und dann noch eine ganz besonders schöne Aktion: „Wer möchte, kann ein Blasinstrument einmal selber auszuprobieren“, sagt Posaunenchor-Leiterin Barbara Jäck-Schmidt. Da bin ich auf alle Fälle dabei. Kann doch nicht so schwer sein, oder? Na, diese Adventsmusik wird jedenfalls unvergesslich.

Mi 23.11.22, 12:37: Es passiert mir leider immer wieder, dass ich mich so richtig ärgere. Aber wie. Und zurzeit sogar noch öfter als sonst. Gestern zum Beispiel. Als ich im Autoradio das Interview mit dem DFB-Mediendirektor Steffen Simon gehört habe. „Wir sind nicht eingeknickt vor der FIFA“, hat er allen Ernstes im Deutschlandfunk behauptet. „Wir haben die Binde verloren, nicht unsere Werte.“ Nicht im Ernst, oder? Vor Ärger hätte ich beinahe ins Lenkrad gebissen. „Schon vor dem ersten Spiel ausgeschieden, das muss man erstmal schaffen“, hat der Journalist Bernd Ullrich kommentiert. Glückwunsch, DFB! Mich ärgert, nur „Zeichen“ setzen zu wollen, solange es niemanden stört. Dabei dürfte doch klar sein, dass Protest nur dann Protest ist, wenn er auch weh tut. Sonst ist es nur wohlfeil. Fußballschauen oder nicht? Diese Frage habe ich auch in der Gemeinde so häufig diskutiert wie keine andere. Inzwischen sind wir wohl eher bei den Rechtfertigungsweltmeisterschaften gelandet. Und das nehme ich dieser rundum missglückten WM in Katar wirklich übel – dass keine Fußballstimmung aufkommen kann. Wenn ich so zurück denke, kann ich die Stationen meiner Kindheit an den großen Spielen der Weltmeisterschaften aufzählen. Aber ich ärgere mich jetzt nicht mehr. Ich mache die Übertragung an. Und werde mit meinen Kindern das Deutschland-Spiel schauen.

Fr 18.11.22, 8:08: Jetzt will es gar nicht mehr so richtig hell werden, oder? In dieser Woche hat der November schlagartig begonnen. Die trüben Tage. Die dunklen Gedanken. Und nun steht auch noch der Totensonntag bevor. Am letzten Sonntag des Kirchenjahres werden wir im Gottesdienst an der Schilfdachkapelle die Namen der Verstorbenen verlesen, die in den vergangenen Monaten von uns gegangen sind. Wir werden Kerzen entzünden. Wir werden auf Worte aus der Bibel hören. Wir werden gemeinsam singen. In der Predigt wird es um Trauer gehen. Darum, dass Trauer eigentlich kein Gefühl ist, sondern die ganze Fülle der Gefühle. Trauer? Das ist Schmerz und Angst, Schock und Wut, Sorge und Unglaube – und noch so viel mehr. Zugleich sind Gefühle auch wie das Wetter. Sie ändern sich. Sie schlagen um. Von einem Moment auf den anderen manchmal. Und hin und wieder mischt sich in die Trauer auch Sehnsucht, Liebe oder Hoffnung. Und auf diese Weise kann aus dem Totensonntag der Ewigkeitssonntag werden, die Hoffnung also, dass es weiter geht. Was weiter geht? „Die Liebe höret nimmer auf.“ Wir hören Musik vom Klavier. Michael Hoeldke spielt zwei Stücke von Erik Satie. Wir feiern den Gottesdienst „drinnen & draußen“. Kinder sind willkommen. Um 11 Uhr geht es los.

Mi 16.11.22, 8:53: Nun sind die Filmleute also wieder weg. Und zurück ist der Gemeindealltag an der Schilfdachkapelle. Spaß gemacht hat das aber schon, dieser Drehtag, Montag, als unser Gemeindegelände zum Filmset wurde. Mit allem, was dazu gehört: Mit Beleuchtern und Szenenbildnerinnen, mit Aufnahmeleitung und Catering – und mit mehr als 60 Schauspielern, die eine Hochzeitsszene gedreht haben. „Kannst du mir sagen, wo du als Pfarrer zur Begrüßung immer stehst?“, hat mich bei den Proben die Film-„Pfarrerin“ gefragt. Klar, konnte ich. Der „Bräutigam“ wollte wissen: „Was mache ich wohl für ein Gesicht, wenn die Braut herein kommt?“ Komische Frage, dachte ich, natürlich ein glückliches Gesicht. Gut fand ich, als die „Braut“ meinte: „Beim Hochzeitsmarsch hatte ich einen Kloß im Hals, wie soll das erst werden, wenn ich wirklich heirate?“ Nur einmal musste ich stutzen. Als es hieß: „Wenn jemand etwas einzuwenden hat, möge er jetzt sprechen oder auf ewig schweigen.“ Wie bitte? Das gibt es nur in Hollywood. Und die Antwort von den Filmleuten: „Aber wir drehen doch hier auch einen Film.“ – Heute ist vom Film nichts mehr zu sehen: Buß- und Bettag. Nicolas Budde und ich feiern um 18 Uhr einen Gottesdienst in der Region. Das Thema: „Gib Frieden, Herr, gib Frieden!“

Mo 14.11.22, 8:37: Stimmungsvoll. Mit diesem Wort ist das vergangene Wochenende wohl am besten überschrieben. „Sieht aus wie im Film hier“, meinte eine Konfirmandin gestern vor dem Gottesdienst. Gut beobachtet. Denn in der Schilfdachkapelle ist in der vorigen Woche eine beeindruckende Filmkulisse aus deckenhohen Tüchern und opulenten Blumensäulen entstanden. Und heute wird hier eine Hochzeitsszene für einen Spielfilm gedreht. Kein Wunder, dass der Gottesdienst also stimmungsvoll war. Was aber auch an der Verabschiedung von Peter Steuermann und Manfred Gummi gelegen haben könnte. Den ganzen Sonntag über hat uns übrigens Fadi begleitet. Der 30-Jährige war von der Produktionsfirma als „Security“ abgestellt, um auf die Filmdekoration aufzupassen. Zugleich hat er mit angepackt, wo Hilfe nötig war. Und das war oft. Beim Klavier etwa, das wir von Kaarina und Christian Meyn geschenkt bekommen haben und in den Gemeinderaum getragen werden musste. Fadi war dabei. So wie überhaupt bis zum Ende der GKR-Wahlen, bei denen Matthias Reinke, Susanne Rademacher und Lekanka Gaiser direkt und Anja Helm sowie Karola Wärk zu „Ersatzältesten“ gewählt worden sind. Dann war ein langes Wochenende vorbei, das schon am Freitagabend mit der regionalen Martinsandacht gottesdienstlich begonnen hatte: Mit Laternen und vielen Kindern und Familien war auch das – einfach stimmungsvoll.

Fr 11.11.22, 8:19: Es war kalt. Es war zugig. Es war ein schöner Abend. Damals, vor drei Jahren, an diesem dunklen Sonntag im November. Meine erste GKR-Wahl als Pfarrer an der Schilfdachkapelle. Und am Ende haben wir vor dem Altarraum mit Prosecco angestoßen. Heute schaue ich auf das Foto und überlege: Was haben wir seitdem erreicht – und was bleibt noch zu tun? Am Sonntag werden wir erneut wählen. Drei Sitze in unserer Gemeindeleitung sind neu zu besetzen. Fünf Kandierende gibt es: Lekanka Gaiser, Anja Helm, Susanne Rademacher, Matthias Reinke und Karola Wärk. Danke, dass ihr bereit seid, Verantwortung zu übernehmen! Alle wesentlichen Entscheidungen unserer Gemeinde werden bald in euren Händen liegen. Das ist gelebte Demokratie. Das ist, wie es schon in der Bibel heißt, „Priestertum aller Gläubigen“. Allerdings gehört zur Demokratie auch Beteiligung. Und deshalb: Geht bitte wählen! Unser Wahllokal hat von 10 und 16 Uhr geöffnet. Der Chor singt im Gottesdienst um 11 Uhr. Im Gottesdienst werden wir unsere bisherigen Gemeindekirchenräte Peter Steuermann und Manfred Gummi aus ihren Ämtern verabschieden. Im Anschluss spielen unsere Kirchenmusiker Marina Philippowa, Christian Deichstetter und Michael Hoeldke bis 16 Uhr auf der Orgel. Es gibt Kaffee, Tee und Kuchen – und am Ende stoßen wir mit Prosecco an.

Di 8.11.22, 8:36: Nun sind die Herbstferien also auch schon wieder Geschichte. Und das bedeutet für mich: Der Jahresendspurt kann beginnen. Die Festwochen, die vor uns liegen. Mit vielen Feiern und Veranstaltungen. Und gleich am Freitag geht es los. Mit dem Martinstag. Mit strahlenden Kinderaugen und leuchtenden Lampions. „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne.“ Am 11. November feiern wir um 17 Uhr vor der Schilfdachkapelle unsere Martinsandacht in der Region. Der Posaunenchor ist mit dabei. Michael Hoeldke an der Orgel auch. Und ich freue mich schon besonders auf den Moment, wenn auf dem Vorplatz der Kapelle die Lichter ausgehen. Stille. Und dann entzünden die Kinder gemeinsam ihre Laternen. Plötzlich ist es ein buntes und fröhliches Lichtermeer im Dunkeln. Und wir singen: „Wir alle sind Lichterkinder, es strahlen die Kerzen, mit Liebe im Herzen.“ Dann geht es los. Immer dem Heiligen Martin hinterher. Hoch zu Ross führt er den Laternenzug an. „Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind, sein Ross das trug ihn fort geschwind.“ Nach dem Umzug bleiben wir am Lagerfeuer noch etwas zusammen. Unsere Kita lädt zum Empfang. Es gibt alkoholfreien Punsch. Dazu Brezeln. Und schon jetzt weiß ich, dass mir noch tagelang der Ohrwurm im Kopf bleiben wird: „Brenne auf, mein Licht, aber nur meine liebe Laterne nicht.“

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